Eingangsstatement von Georg Friedrich Prinz von Preußen

Pressemitteilung zum Historiker-Podium im Haus der Bundespressekonferenz

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

zum heutigen Historiker-Podium heiße auch ich Sie herzlich willkommen. Über Ihr großes Interesse freue ich mich sehr.

Mit der heutigen Veranstaltung möchten wir einen weiteren Beitrag leisten zur Aufarbeitung unserer wechselvollen Familiengeschichte im 20. Jahrhundert. Dass sich Historikerinnen und Historiker seit einiger Zeit verstärkt mit diesem Themenfeld befassen, dafür sind meine Familie und ich sehr dankbar. Dass es hier noch viel zu erforschen und aufzuarbeiten gibt, zeigt allein schon die Vielzahl der Bücher und weiteren Publikationen, die in den letzten Jahren hierzu erschienen sind.

Professor Lothar Machtan gilt seit langem als renommierter Experte für die Geschichte des Hauses Hohenzollern im letzten Jahrhundert. Seit Jahrzehnten arbeitet er insbesondere an einer Bestandsaufnahme aller verfügbaren Quellen zum Verhältnis meiner Vorfahren zum Nationalsozialismus. Unter dem Titel „Der Kaisersohn bei Hitler“ hat Professor Machtan bereits vor 17 Jahren eine Studie über den berüchtigten Prinzen August Wilhelm von Preußen vorgelegt, einen jüngeren Bruder meines Urgroßvaters, des ehemaligen Kronprinzen. Und vor zwei Jahren erschien mit Unterstützung unserer Familie sein neustes Buch „Der Kronprinz und die Nazis“. Daran anknüpfend wird er uns heute etwas über sein aktuelles Projekt einer digitalen Quellensammlung zu diesem Thema berichten, die wir ab heute auf unserer Internetseite preussen.de für alle Interessierten kostenlos zur unentgeltlichen Nutzung bereitstellen. Denn ich stehe ich auch weiterhin zu meiner Zusage, die kritische Aufarbeitung unserer Familiengeschichte durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Rahmen unserer Möglichkeiten bestmöglich zu unterstützen.

Es gibt ein kontroverses Thema, das seit Jahren den geschichtswissenschaftlichen Diskurs überlagert: Seit der Wiedervereinigung befindet sich meine Familie in Gesprächen mit Bund und Ländern, wie die ungeklärten Eigentumsfragen an mehr als 10.000 Kunstwerken aus den königlich-preußischen Sammlungen mehr als 100 Jahre nach dem Ende der Monarchie abschließend geregelt werden können. Für die Zuordnung von 4.000 dieser mehr als 10.000 Objekte ist das Handeln meines 1951 verstorbenen Urgroßvaters relevant. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob und in welchem Ausmaß der frühere Kronprinz in der Endphase der Weimarer Republik dazu beigetragen hat, dem Nationalsozialismus den Boden zu bereiten. Sollte man ihm nachweisen können, dass er in erheblichem Maße Vorschub geleistet hatte, dann würden jene 4.000 Objekte an den Staat gehen, andernfalls zurück an unsere Privatsammlung.

Auch wenn ich selbst weder Historiker noch Jurist bin, lässt sich aus meiner Sicht nicht nachweisen, dass mein Urgroßvater dem NS-Regime erheblichen Vorschub geleistet hat – selbst, wenn er dies vielleicht gewollt hätte. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass Kronprinz Wilhelm zeitweise mit den Nationalsozialisten sympathisiert hat. Lassen Sie es mich daher an dieser Stelle in aller Deutlichkeit sagen: Wer sich dem Rechtsextremismus anbiedert, kann nicht traditionsstiftend für das Haus Hohenzollern sein.

Ich habe daher entschieden, auf die Rückgabe von jenen rund 4.000 Kunstwerken sowie die damit verbundenen Leistungen nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz zu verzichten. Damit möchte ich den Weg frei machen für eine unbelastete Debatte in der Geschichtswissenschaft zur Rolle meiner Familie im 20. Jahrhundert nach dem Ende der Monarchie.

Unabhängig vom Verzicht auf jene 4.000 Objekte werde ich auch weiterhin öffentlichen Museen in ganz Deutschland Leihgaben aus unserer privaten Kunstsammlung auf Wunsch zur Verfügung stellen. Die Burg Hohenzollern, die Stammburg unserer Familie, ist mit Hunderttausenden von Besuchern jährlich eines der beliebtesten privaten Museen in Deutschland. Und es bleibt auch weiterhin mein Ziel, unser gemeinsames Kunst- und Kulturerbe dauerhaft für die Öffentlichkeit zu erhalten. Daher bin ich zuversichtlich, dass es in den nächsten Jahren gelingen wird, auch Lösungen für die übrigen Kunstwerke zu finden, deren rechtliche Zuordnung nicht von der historischen Rolle meines Urgroßvaters abhängig ist.

Gleichzeitig fände ich es angemessen, wenn sich künftig der Fokus der Debatte über die Rolle meiner Familie im 20. Jahrhundert weniger auf den Ex-Kronprinzen fokussieren, als vielmehr die Vielfalt und Widersprüche innerhalb meiner Familie in den Blick nehmen würde. Neben NS-Sympathisanten wie Kronprinz Wilhelm und anderen aus seiner Generation gab es auch Familienmitglieder, die sich nicht mit dem NS-Regime gemein gemacht haben. Ich denke dabei besonders an den Prinzen Friedrich Leopold von Preußen, der im Konzentrationslager Dachau interniert war. Mein Großvater Prinz Louis Ferdinand, der den Großteil der 1930er Jahre in den USA verbracht hatte, pflegte freundschaftliche Verbindungen zu führenden politischen Persönlichkeiten der Bundesrepublik, beispielsweise dem legendären Bremer Bürgermeister Wilhelm Kaisen und den Bundeskanzlern Willy Brandt und Helmut Kohl. Prinz Louis Ferdinand, dessen Biografie sich fast über das gesamte 20. Jahrhundert erstreckt, hatte sich Zeit seines Lebens für die Wiedervereinigung Deutschlands eingesetzt und war zudem ein überzeugter Verfechter der Vereinigten Staaten von Europa, und das zu Zeiten, in denen dies alles andere als selbstverständlich war. Es sind daher Persönlichkeiten wie mein Großvater Prinz Louis Ferdinand, die heute traditionsstiftend für mein Haus sind.

Vor diesem Hintergrund freue ich mich sehr auf den Beitrag der Historikerin Antonia Podrashki, die uns einen Einblick in ihre von der Studienstiftung des Deutschen Volkes geförderte Forschungsarbeit geben wird. Ich bin sehr gespannt auf den aktuellen Stand Ihrer Recherchen, die sie nicht zuletzt auch in unserem Hausarchiv auf der Burg Hohenzollern durchgeführt hat.

An dieser Stelle auch nochmals ein herzlicher Dank an Professor Peter Brandt und Professor Ulrich Schlie für Ihre Bereitschaft an diesem Historikerpodium mitzuwirken.

Und zu guter Letzt möchte ich es nicht versäumen, ebenfalls besonders herzlich Herrn Botschafter Leopold-Bill von Bredow, einen Zeitzeugen, zu begrüßen, der als Jugendlicher meinem Urgroßvater Kronprinz Wilhelm noch regelmäßig persönlich begegnet ist.

Meine Damen und Herren, ich wünsche uns allen einen spannenden und erkenntnisreichen Vormittag.

Herzlichen Dank!

 

 

Berlin, den 9. März 2023